Mehrsprachig aufwachsen: Alle Sprachen sind wichtig!

Was ist für Vorschulkinder, die mehrsprachig aufwachsen, wichtiger: die Sprache draussen auf dem Spielplatz oder die Sprache(n) daheim? Die Antwort: Alle Sprachen sind wichtig! Hier finden alle, die Angebote für Vorschulkinder gestalten, Tipps zum mehrsprachigen Aufwachsen.

Darum geht es
Die lokale Sprache zu lernen, steht bei vielen Integrationsangeboten für Erwachsene an erster Stelle. Vorschulkinder hingegen haben andere Bedürfnisse: Damit sie sich sprachlich und emotional gut entwickeln, brauchen sie auch die Erstsprache(n) ihrer engen Bezugspersonen.

Mehrsprachigkeit leben und fördern: Warum?
Kinder sind wahre Sprachtalente! Die Forschung zeigt, dass Kinder in einem mehrsprachigen Umfeld problemlos mehrere Sprachen lernen. Diese zwei Voraussetzungen helfen ihnen dabei:
In der Familie ist die «Herzenssprache» Trumpf
Eltern sprechen mit ihren Kindern die Erstsprache(n), ihre Herzenssprache – diejenige Sprache, die dem Elternteil am nächsten ist und die es am besten spricht. Die Erstsprache stärkt die Beziehung zum Kind und prägt seine Identität. Deshalb gehört sie daheim an den Mittagstisch, zum Ankleiden und in die Gute-Nacht-Geschichte.
Die Lokalsprache kommt spielerisch dazu
Ausserhalb der Familie entdecken Kinder die lokale Sprache. Je früher sie das tun, desto besser. Dafür braucht es Begegnungsorte, so wie sie mehrsprachige Projekte bieten, aber auch Kitas und Spielgruppen. Im Spiel mit anderen Kindern kommen Kinder mit der lokalen Sprache in Kontakt und erproben gleichzeitig ihre Erstsprache(n).
Es gilt: Jede Sprache, mit der ein Kind aufwächst, ist wichtig, keine ist weniger wert als die andere, keine hat Vorrang.

Tipps für alle, die Angebote für Vorschulkinder gestalten
«ici. gemeinsam hier.» unterstützt Projekte und Begegnungsorte, die mehrsprachiges Aufwachsen fördern: Quartiertreffs, Familienzentren, mehrsprachige Spielgruppen und mehr.
Im Auftrag von «ici. gemeinsam hier.» hat die Pädagogische Hochschule St.Gallen acht Projekte begleitet und über 80 Eltern befragt. Daraus sind drei Tipps für Projektteams entstanden.

Tipps zum Bestellen: Publikation «Alle Sprachen sind wichtig!»
Die Falzbroschüre mit praktischen Tipps soll euch dabei unterstützen, Kinder und deren Eltern in einem mehrsprachigen Umfeld zu begleiten.
Gerne könnt ihr die kostenlosen, gedruckten Falzbroschüren bestellen und sie bei Veranstaltungen, Versänden oder Teamevents verteilen. Aufgeklappt wird die Falzbroschüre zum Poster.
Falzbroschüre:
- Deutsch (PDF in Kürze verfügbar)
- Französisch (PDF in Kürze verfügbar)
- Italienisch (PDF in Kürze verfügbar)
- Englisch (PDF in Kürze verfügbar)
Poster:
- Deutsch (PDF in Kürze verfügbar)
- Französisch (PDF in Kürze verfügbar)
- Italienisch (PDF in Kürze verfügbar)
- Englisch (PDF in Kürze verfügbar)
Drei Tipps für Projektteams
Jede Sprache ist gleich wichtig. Deshalb ist die Lokalsprache nur eine von vielen in eurem Projekt. Spontanes Übersetzen für andere ist normal. Hauptsache, man versteht einander! Gerade Kinder fühlen sich rascher wohl, wenn eine Betreuungsperson auch ihre Erstsprache spricht.
Das sind mögliche Massnahmen:
- Ein- und mehrsprachige Bilderbücher anbieten – so aufgestellt, dass die Sprache(n) gut sichtbar sind – zum Beispiel auf einem bunten Regal.
- Bei Projektaktivitäten immer wieder eine andere Sprache in den Vordergrund rücken: zum Beispiel eine Begrüssung auf Türkisch, eine Geschichte auf Kroatisch, ein Abzählreim auf Ukrainisch oder ein Lied auf Tamil.
- Projektinformationen in zahlreiche Sprachen übersetzen.
- Teilnehmende nach der Erstsprache fragen; gleichsprachige Familien und Personen im Team miteinander vernetzen, zum Beispiel bei einem Kennenlern-Kaffee.
- Das Projektteam so ergänzen, dass es die Sprachenvielfalt im Quartier widerspiegelt.
- Projektverantwortliche, Mitarbeitende und Freiwillige für das Thema Mehrsprachigkeit sensibilisieren und weiterbilden, zum Beispiel in einem Workshop.
- Mehrsprachige Personen als Dolmetschende einsetzen.
- (Zusätzliche) Personen zum Leiten mehrsprachiger Aktivitäten befähigen, beispielsweise in der Kinderbetreuung.
- Piktogramme einsetzen, die auch ohne Worte verständlich sind, zum Beispiel auf Spielkisten oder in der Küche.
- Unterschiedliche kulturelle Traditionen integrieren, zum Beispiel beim gemeinsamen Kochen oder Feste feiern.
Was hilft den Kindern, was den Eltern? Welche Themen und Sprachen könnten integriert werden? Es lohnt sich, gemeinsam darüber nachzudenken, wie Mehrsprachigkeit im Projekt weiter gefördert und erlebt werden kann.
Das sind mögliche Massnahmen:
- Kindern und Eltern Begegnungsräume und Angebote zur Verfügung stellen, in denen ihre jeweilige Erstsprache gesprochen wird: zum Beispiel Spiel- oder Eltern-Kind-Gruppen oder auch Aktivitäten wie Kochen.
- Die Eltern anregen, mit den Kindern ihre Erstsprache(n) zu sprechen und sie auch mit Schriftsprache in Kontakt zu bringen, zum Beispiel mit Bilderbüchern.
- Die Eltern beraten, welche Angebote in der Lokalsprache für ihre Kinder passen, damit das Kind sie schon im Vorschulalter lernt, zum Beispiel in der Kita.
- Die Familien ermutigen, Angebote für die Förderung ihrer Erstsprache(n) ausserhalb des Projekts zu nutzen, zum Beispiel von Bibliotheken.
- Mehrsprachige Begegnungen ermöglichen, wo Menschen in der Lokalsprache, aber auch anderen Sprachen miteinander sprechen, beispielweise im Rahmen von Spielgruppen oder offenen Spielangeboten.
- Das im Projektteam vorhandene Wissen und eigene Erfahrungen einsetzen, um Eltern zum Thema mehrsprachiges Aufwachsen zu beraten und zu begleiten.
Die Studie zeigt auch: Für den Erfolg eines mehrsprachigen Projekts ist seine Qualität entscheidend. Gemeinsam kann sich das Team regelmässig Fragen stellen wie: Welche unterschiedlichen Bedürfnisse haben unsere Teilnehmenden? Können wir unsere Haltung, Kommunikation, Strukturen oder Räume noch verbessern?
Das sind mögliche Massnahmen:
- Beziehungen zwischen Projektmitarbeitenden und Eltern auf Augenhöhe gestalten, zum Beispiel indem Projektteilnehmende bei mehrsprachigen Aktivitäten mitgestalten und dabei ihre Stärken und Interessen einbringen.
- Einfachen Zugang zu Aktivitäten und spezialisierten Beratungsangeboten bieten, zum Beispiel in einem Café ohne Konsumzwang und mit Spielbereich.
- Familien befragen, wie sie die Angebote erleben und was sie sich zusätzlich wünschen.
- Regelmässig im Projekt überprüfen, ob die Angebote genutzt und geschätzt werden, zum Beispiel einmal im Monat bei einer Projektsitzung oder im Rahmen einer anonymen Umfrage.
- Eltern die Möglichkeit geben, selbst eine Aktivität oder ein Projekt zu starten und sie so als Schlüsselpersonen für Mehrsprachigkeit weiter stärken.
- Pro enfance, plateforme romande pour l’accueil de l’enfance: Flyer
- Netzwerk Bildung und Familie: Lernmaterialien
- Schweizerisches Rotes Kreuz: Moderationsset «Mehrsprachig aufwachsen»
- Kanton St.Gallen, Kompetenzzentrum Integration und Gleichstellung: Broschüre für Eltern „Sprich mit mir und hör mir zu“
- Zumwald, B., Itel, N. & Vogt, F. (2015). Zusammenarbeit mit Eltern in der Sprachförderung. Ein Praxisheft für Spielgruppen und Kitas. St.Gallen: Pädagogische Hochschule St.Gallen.
Diese Tipps sind keine Rezepte mit Erfolgsgarantie. Sie sind Empfehlungen aus der Studie, basierend auf Forschung und guten Erfahrungen in der Praxis. Die Tipps sollen dazu anregen, euer Angebot noch besser auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden auszurichten und weiterzuentwickeln.

Studie «Mehrsprachig aufwachsen» (2025)
Im Auftrag von «ici. gemeinsam hier.» hat die Pädagogische Hochschule St.Gallen acht Projekte begleitet und über 80 Erziehungsberechtigte zu ihrer Einstellung gegenüber Mehrsprachigkeit und ihrem Verhalten im Familienalltag befragt. Die Zusammenfassung der Studie findet ihr hier: